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04.07.2014 | Die Leiden des jungen O.

(mo)  (Zur Überwindung des Sommerlochs möchte ich Euch einen sehr schön geschriebenen Artikel „Die Leider des jungen O." von Martin Oetzmann nicht vorenthalten. Er erschien im Juli 2009 im Magazin „Tischtennis" unter der Rubrik „Kreisliga-Report". Viele liebe Grüße, ni ke)


Milchiges Licht, kleine Halle, kalte Duschen. Willkommen in der Kreisliga, da, wo das wahre Tischtennis gespielt wird.

Ich höre auf, definitiv. Dieses Mal mach' ich es wirklich. Wie konnte ich gegen den nur verlieren? Der konnte nichts! Nichts, außer Aufschläge. Fünf Sätze lange bekomme ich nicht einen sicheren Rückschlag auf den Tisch, und mit jedem Fehler wird mein Spiel fahriger, verliere ich Mut, bis ich irgendwann gar nichts mehr treffe. Ich reiche meinem Gegner die Hand und will im selben Moment nur noch weg. Flüchten, an irgendeinen Ort, an dem es diesen verfluchten Sport nicht gibt.

Warum denken solche Aufschlagmonster eigentlich, sie können Tischtennis spielen? Lächerlich! Ich setze mich auf die Bank und könnte gleichzeitig heulen und jemanden anschreien. Das ist das Schlimme am Tischtennis: Es gibt keinen, dem man für ein sauschlechtes Spiel die Schuld geben kann. Niemanden, der mitverantwortlich ist. Am Ende ist man allein.

Es ist wieder so ein Freitagabend, der mir das halbe Wochenende versaut. Knapp 17 Jahr spiele ich jetzt schon Tischtennis. 17 Jahre zwischen Landesliga und Kreisklasse, nach denen man annehmen könnte, das mittlerweile ein wenig mehr Gelassenheit eingekehrt wäre. Aber das Programm im Kopf lässt sich nicht abschalten. Spätestens am Mittwoch bin ich wieder heiß aufs nächste Spiel, mag das letzte auch noch so deprimierend verlaufen sein. Am Freitagabend hetze ich aus dem Büro direkt in die Halle. Spielbeginn ist um 19.30 Uhr. Punkt Viertel nach sieben stehe ich am Tisch. Gute Vorbereitung sieht anders aus. Und dann auch noch gegen die! So lange meine Erinnerungen reichen, hatten wir jedes Jahr mindestens eine Mannschaft von denen in der Liga, und ich kann mich an kein gutes Spiel von mir erinnern. Dieser Verein und ich, wir mögen uns einfach nicht. Das Licht milchig, die Halle klein und die Duschen kalt. Den Gegnern macht das natürlich nichts aus. Sie kennen nichts anderes, spielen sie doch schon seit 40 Jahren hier zusammen. „Wie kannst du denn gegen Senioren verlieren?“, höre ich nicht selten von meiner Freundin, wenn ich wieder mal gefrustet von einem Punktspiel nach Hause komme. Sie versteht es nicht. Sie spielt halt kein Tischtennis.

Im Grunde ist es genau das, was ich am Tischtennis so schätze. Erfolg oder Misserfolg hängt eben nur bedingt vom Alter und der körperlichen Konstitution ab – zumindest auf meinen Niveau. Es ist weitaus mehr als nur die Summe aus Athletik und Technik. Wie oft habe ich Jugendliche schon im Gefühl des sicheren Sieges an den Tisch gehen sehen. Gesegnet mit einem unglaublichen Vorhandtopspin, flinken Beinen, schnellen Belägen und dem unbeirrbaren Glauben an die eigene Stärke. Unsicher einzig die Frage, wie hoch sie ihren Gegner, der nicht selten ihr Großvater sein könnte, heute zerlegen würden. Doch wenn mich Tischtennis eines gelehrt hat, dann dies: Unterschätze niemals einen Gegner. Niemals! Egal, wie unterlegen er dir auch erscheinen mag. Der Herr am anderen Ende des Tisches wird dich für deine Überheblichkeit bitter bestrafen. Wenig spektakulär vielleicht, aber auf seine Weise effektiv und kompromisslos. Ohne ein bedingungsloses Angriffsspiel, dafür aber mit viel Routine, einem guten Auge und einer ordentlichen Portion unangenehmen Schnitts.

Doch heute mag ich dich nicht, Tischtennis. Du warst einfach zu gemein zu mir. Der sechste Satz in der Kneipe kann mich auch nur bedingt aufheitern. Mein Gegner zeigt Mitleid und spendiert ein Bier. Tischtennis lieben, heißt leiden lernen. Leiden an den eigenen Unzulänglichkeiten, leiden am Gegner. Es wird bis Sonntag dauern, bis sich mein Ärger endgültig gelegt hat. Warum tue ich mir das eigentlich Woche für Woche an, wenn es mich doch so oft bestraft? Aber aufhören? Niemals! Nächste Woche geht es doch um den Aufstieg. Nächste Woche wird alles anders.

B S schreibt am 04.07.2014 13:58:25:
suizid wär noch ne alternative ....

D S schreibt am 04.07.2014 16:31:02:
Perfekter Bericht. Aus meiner Sicht absolut authentisch. Note 1 mit *. Mehr davon. Suizid ist auch keine Dauerhafte Lösung. Nur für einen selber aber nicht für die Millionen TT-Freaks.

D B schreibt am 04.07.2014 22:23:41:
Das hätte von Tilman sein können. Definitiv sicher, dass es tatsächlich von nem anderen Autoren ist, war ich, als von "es geht um den Aufstieg" die Rede war. Bei TD gehts maximal ums goldene Ei oder Negativrekorde ;-) Sry Tilman, aber die Sommerpause ist so langweilig :-)

t k schreibt am 05.07.2014 03:17:40:
Viele Stellen im Text belegen, dass Damen sehr wohl mit den Herren mithalten können...zuAFrüberschiel ;-)

a f schreibt am 07.07.2014 12:21:40:
Klasse Bericht! @tk du meinst wohl eher mitärgern lassen von gemeinen Materialschupfspiel... ;)

t k schreibt am 07.07.2014 14:00:21:
Warum sollen nur die Herren darunter leiden :-) Und Kiddies sind kleiner und schwächer als manch Dame und hauen Herren manchmal einfach so weg...

T D schreibt am 08.07.2014 00:20:09:
Da scheint mir aber doch einer das "Brückel-Syndrom" noch nicht komplett verarbeitet zu haben, lieber DB. War es nicht ein Einsatz in der Kreisliga hinten - ich betone "hinten" - der sich trefflich unter dem Titel "Die neuen Leiden des jungen D." zusammenfassen ließe? Zur Lektüre empfehle ich hier noch einmal den vorletzten Absatz des von M. Oetzmann so humorvoll vormulierten Artikels!

D B schreibt am 08.07.2014 13:44:20:
Der hatte keinen Schnitt drin ;-) Und dir empfehle ich den Duden, mein alter Vreund :-P

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